Wer versucht während der Zeiten von Corona einen Ausbildungsplatz oder Arbeitsplatz zu finden oder sogar nur einen Praktikumsplatz, wird oft feststellen, dass er vor verschlossenen Türen steht. Natürlich kann man die Skepsis viele Arbeitgeber in Zeiten von Lock-Down verstehen und nachvollziehen. Kein Wunder also, dass viele Menschen an dieser Situation verzweifelt. Doch was wird sich in den nächsten Wochen und Monaten ändern und wie sind die Aussichten auf das Jahr 2021?
Zunehmendes Misstrauen gegenüber der Wissenschaft
Stephan Heuke als stellvertretender Leiter des Bereichs Internationales in der Bundesagentur für Arbeit hat in seiner Rede darauf hingewiesen, dass sich ein deutliches Misstrauen gegenüber der Wissenschaft breit macht. Zum einen aus dem Bereich der Politik, zum anderen aber auch aus dem Bereich der Gesellschaft. Demzufolge postuliert er, dass es immer wichtiger sei, wissenschaftliche Erkenntnisse nicht nur innerhalb des politischen und wissenschaftlichen Kontextes zu diskutieren, sondern das im breiten Umfeld auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Politische Entscheidungen können von der breiten Öffentlichkeit oft nur mit einem Kopfschütteln zur Kenntnis genommen und werden, besonders dann wenn es um einschneidende Eingriffe in das Leben der betroffenen Personen geht.
So postuliert er weiter, das auf der Basis von quantitativen Erhebungen mehr als gerechtfertigt sei, viel Geld für eine aktive Arbeitsmarktpolitik auszugeben. Diesem Gedanken können wir aus unserer Sicht uneingeschränkt folgen.
Beunruhigende Entwicklung des Ausbildungssystems
Professor Bernd Fitzenberger, IAB Direktor, geht in seinem Beitrag davon aus, dass es eine beunruhigende Entwicklung hinsichtlich des kompletten Ausbildungssystems gibt. Kein Wunder, wenn es in den letzten Monaten immer wieder zu massiven Unterrichtsausfällen gekommen ist, ohne dass diese durch entsprechende Online-Angebote kompensiert werden konnten. Herr Fitzenberger sprach in seinem Vortrag sogar von einem Einfrieren des Arbeitsmarktes in der Krise. Nach seiner Meinung würden Menschen individuelle Strategien einsetzen, um auf die aktuelle Situation zu reagieren. Auf der anderen Seite stellte er raus, dass das Ausbildungssystem in Deutschland grundsätzlich ein sehr gutes sei. Das würde man alleine daran festmachen können, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland verhältnismäßig gering sei. Gleichzeitig stellte er aber auch fest, dass es beunruhigende Entwicklungen hinsichtlich des Ausbildungssystems gebe. Danach sinke die Bereitschaft vom Betrieben Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen und der Umgang mit Migration und der damit einhergehenden Bereitschaft weitere Arbeitsplätze zu schaffen sinke ebenfalls während der covid-19 Pandemie.
Geringqualifizierte Jugendliche und der Berufseinstieg
Besonders betroffen sind von den aktuellen Entwicklungen geringfügig qualifizierte Jugendliche. Und zum Teil würden hier die Qualifizierungen für eine klassische Ausbildung nicht ausreichen, so dass man über alternative Konzepte nachdenken müsste. Es wurde darüber gesprochen einen Übergangsprozess hinsichtlich alternativer Berufsbildungs-Programme zu ermöglichen. Aus unserer Sicht scheint diese Idee mehr als zielführend zu sein, weil bei diesen Jugendlichen zum Teil mehrere Probleme zusammenkommen und es Alternativen zum normalen Ausbildungsprogramm geben muss.
Schulschließungen während der covid-19 Pandemie
In einer weiteren Studie wurden Befunde zu den Leistungen und Aktivitäten deutscher Oberstufenschüler und Schülerinnen erhoben, die während der covid-19 Pandemie und der Lock-Down Phase geschlossen waren. In dieser zweiten Studie kam die Analyse zu drei Schlussfolgerungen.
Demnach lernten Schüler weniger als Schülerinnen. Leistungsstarke Schülerinnen und Schüler lernten dagegen mehr und häufiger. Dabei spielte es eine Rolle, ob digitale Lernangebote vorgehalten und genutzt worden sind oder nicht. Gleichzeitig machte sich bei den Befragungen eine gestiegene Sorge in Bezug auf den Berufseinstieg bei diesem Schülerinnen und Schülern bemerkbar. Hervorzuheben ist außerdem, dass Schülerinnen und Schüler mit schlechteren Noten sich mehr um ihre berufliche Zukunft sorgten, als leistungsstärkere Schülerinnen und Schüler. Hier ist anzumerken, das bereits bestehende soziale Ungleichheiten durch die aktuelle covid-19 Pandemie weiter verschärft werden.
Folgen der covid-19 Pandemie für die junge Generation
In einem weiteren Vortrag von Professor Jutta Allmendinger, Professorin für Bildungssoziologie und Arbeitsmarktforschung an der Humboldt-Universität von Berlin, wurde die Entwicklung während der Pandemie aus der Perspektive der Lebenslauftheorie betrachtet. Nach der Meinung von Professorin Allmandinger sein die Folgen besonders für junge Menschen vielfältig. Dazu gehören der Anstieg der Arbeitslosigkeit, der Verlust von Arbeitszeit, von Verrentung und anderer Verteilung der Haushalte. Daneben stellte sie fest, dass in verschiedenen Studien die Auswirkungen der Krise nicht nur in Bezug auf das Arbeitsleben zu sehen sei, sondern sich auch auf die Bereiche Zufriedenheit, Einsamkeit, Teilhabe und Integration, Familienbildung, Fruchtbarkeit und Scheidungsraten beziehe.
Bei Schulkindern etwa stellte sie fest, dass es eine zunehmende Kluft in Bildungs und Kompetenzniveau der Kinder gebe. Je nachdem, in welchem Haushalt sie aufwachsen. Danach würden gebildete Eltern viel eher in der Lage sein Ihren Kindern zu helfen, als Eltern in weniger gebildeten Familien. Als Quintessenz argumentiert die Professorin, dass die mangelnde Ausbildung und fehlende Kompetenzen der letzten Monate in den nächsten Jahren nicht kompensiert werden könnten. Wörtlich sagte sie: “Dieser Zustand sei nicht heilbar. Die Narben würden lange sichtbar sein.”
Auch hier stellte Frau Prof. Allmendinger fest, dass Bildung der Schlüssel zu einer Verbesserung der Lage sagt. Besorgniserregend warnte sie dabei, dass die Jugendarbeitslosigkeit vermutlich stärker zunehmen würde als aktuell vermutet. Während besser ausgebildete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch von zu Hause arbeiten können, stellt das für schlechter ausgebildete Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ein Problem da und führen somit ihr zu Kurzarbeit. Bis heute profitieren eher die gebildeten Menschen von höherem Einkommen, größeren Netzwerken, besserer Gesundheit und damit auch längere Lebenserwartung. Das alles trage eher zu einer Spaltung der Gesellschaft bei.
Frau Allmendinger Stellte dabei fest, dass die Kurzarbeit Menschen grundsätzlich helfe, aber sie auch an den Betrieb binde und damit auch die berufliche Weiterentwicklung verlangsame. Daher forderte sie, dass die Kurzarbeit grundsätzlich mit Weiterbildung verknüpft werden sollte, um die Arbeitnehmer während dieser Zeit beruflich weiterzubringen.
Den kompletten Artikel “Arbeitsmarktübergänge in Krisenzeiten” inklusive den Vorträgen als Video können Sie hier lesen.